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Vorgestern las ich in der Tageszeitung YEDIYOT ACHARONOT von einem weiteren wahnsinnigen Vorhaben unseres Bürgermeisters Nir Barkat, der hoffentlich bei den nächsten Kommunalwahlen nicht wiedergewählt wird.
Seit seiner Wahl zum Bürgermeister setzt der Hightech – Unternehmer Barkat alles daran, Jerusalem in ein zweites Tel Aviv umzuwandeln. Größer, protziger, besser.
Da sollte der zweimal wöchentlich stattfindende Kunst – und Handwerksmarkt vom Tel Aviver Stadtteil Nachalat Binyamin in die Jerusalemer Rambam Street geholt werden. Ein Unternehmen, was nun letztendlich doch nicht in der Rambam Street stattfindet, sondern in kleinem Rahmen an jedem Donnerstag an der Kreuzung Agrippas / King George sowie in der Shatz Street (ebenso an der King George).
Für die Straßenbahn, die genau vor einem Jahr ihren Dienst aufnahm, kann Barkat nichts, denn das Vorhaben wurde von seinen Vorgängern Olmert und Lupolianski durchgesetzt. Wider Erwarten aber erfreut sich die Straßenbahn hoher Beliebtheit und ist immer rappelvoll. Nur mit dem Bezahlen haben es viele Jerusalemer nicht so und fahren lieber schwarz.
In der Jaffa Road
Photo: Miriam Woelke
Aktuell werden nahe der Jaffa Road in der Stadtmitte riesige Wohnklötze hochgezogen. Einer ist seit längerer Zeit fertiggestellt, doch bis heute fanden sich kaum Käufer für die angepriesenen Luxuswohnungen. Trotzdem werden nebendran weitere Luxusklitschen gebaut und das alte Flair der Umgebung geht verloren.
Blick von der Jaffa Road in Richtung Rabbi Kook Street
Und weiter oben in der Jaffa Road:
Der Wohnklotz im Hintergrund steht bis heute fast leer.
Photos: Miriam Woelke
Flair, Rustikales, die olle Jerusalemer Mentalität – all das gehört irgendwie zur Stadt. In Jerusalem kann man Mensch sein, auch wenn kein Geld im Portemonaie ist. Während in Tel Aviv viel Schickimicki angesagt ist, so kann man in Jerusalem immer noch ungezwungen im siebziger Jahre Ramsch herumlaufen. Kaputte Schuhe oder zerschlissene Hose – das stört keinen Menschen, denn die Mehrheit der Bewohner ist wenig betucht und kauft nun einmal ganz billig ein.
Wer hier einkaufen geht, der wird fast immer gefragt, ob er die Ware auf Abzahlung will. Jeden Monat Hundert Schekel abstottern oder so in der Art. Sei es im Supermarkt oder, wie ich neulich sah, in einem billigen Klamottenladen, wo der Vater seiner Tochter ein paar Hosen und Shirts kaufte und an der Kasse die Ratenzahlung verlangte. Deswegen braucht sich niemand zu schämen, denn wir sind hier nicht im "Beverly Hills" Azrieli Tower von Tel Aviv.
Kurz gesagt, das Jerusalemer Flair der kleinen Leute ist wichtig. Jetzt aber kommt Nir Barkat daher und wittert das große Geld der Touristen. Man müsse etwas bieten und nicht nur "lahm" mit Klagemauer oder Holocaust Museum daherkommen. Die Leute suchen Action und da muss halt investiert werden. Barkats letzter Abschuss, über den sogar die linke YEDIYOT ACHARONOT lästerte:
Jerusalem solle ein weiteres Symbol für die Formel 1 werden. Jedes Jahr wolle Barkat ein Formel 1 Rennen rund um die Altstadt steigen lassen.
Wo, zum Teufel, soll dass denn sein, bei dem chronischen Platzmangel ? fragte ich mich und schwupps lieferte YEDIOT eine kleine Karte. Das Rennen solle an der Karta (Mamilla Mall vor dem Jaffa Gate) beginnen, hinauf zur Cinematheque, über die Derech Chevron hinein in die David Remez, die King David Street ( King David Hotel) hinauf und zurück zur Karta.
Solch ein idiotischer Einfall ist mir längere Zeit nicht untergekommen und der Bürgermeister hat offensichtlich keine Ahnung von der Formel 1 und den strengen Sicherheitsbestimmungen. Ganz zu schweigen davon, dass all die Straßen neben den Rennwagen, keine Zuschauerplätze mehr zulassen. Ein Rennen ohne Zuschauer.
Die internationale Rennfahrerelite wird es auch nicht einfach haben, denn es gibt keinen Platz, um einen anderen Wagen zu überholen. Wer als Erster startet, wird wahrscheinlich auch als Erster ins Ziel kommen, denn die Konkurrenz kann ihn gar nicht überholen, es sei denn, man hebt ab und fliegt über den Wagen hinweg.
Zur Enge in der David Remez Street (zwischen dem alten Bahnhof und dem Chan Theater)
Photos: Miriam Woelke
Sicherlich soll Jerusalem keine Museumsstadt mit Museumsniveau sein, doch per Hauruck – Verfahren eine ganze Stadt samt Bewohner ändern zu wollen, ist Wahnsinn. Tel Aviv hat seinen Charakter und so hat die Stadt Jerusalem den ihren … und dies gilt es zu akzeptieren. Tel Aviv wird niemals Jerusalem und umgekehrt.
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