Dienstag, 29. September 2009

Tel Aviv verliert Vormachtstellung

B"H


"Tel Aviv, die Stadt, die niemals schläft", zieht zwar nach wie vor viele Israelis von auswärts an, doch andererseits wandert eine bedeutende Anzahl von Einwohnern ab in andere, ruhigere und erschwingliche Orte.


Jahrelang zogen Jerusalemer, insbesondere junge Leute, gen Tel Aviv, um dort das Leben zu geniessen. Jobs mit einem höheren Gehalt sowie eine hohe Lebensqualität warten in Tel Aviv, so dachten nicht wenige. Die Tel Aviver Realität jedoch schaut anders aus:
Wer nicht gerade einen super Job mit einem super Gehalt hat, der schmeisst einen Großteil seines Einkommenss für die Miete hinaus. Ein WG - Zimmer in Tel Aviv kostet fast überall 2000 Schekel (ca. 400 Euro) monatlich, es sei denn, man lebt am Zentralen Busbahnhof unter Gastarbeitern oder Prostituierten. In den meisten Fällen beinhaltet die Miete nicht einmal die Nebenkosten und israelische Wohnungseigentümer können sehr nervig und, vor allem, geizig sein. Um Waschmaschinenanschlüsse wird von seitens des Mieters nicht selten gekämpft. Wer eine neue Wohnung bezieht, der muss stets auspassen, dass sein Strom - u. Wasserzähler auf seine Wohnung allein geschrieben ist, denn nicht selten gelten die Zähler für mehrere Mieter zusammen. Eine Bekannte in Jerusalem zahlt die Wasserrechnung zusammen mit der WG im Untergeschoß, wo die Waschmaschine nonstop läuft und die WG - Mitbewohner auch noch unzählige Freunde übernachten lassen. Es ergibt sich fast von selbst, dass meine Bekannte den Anteil der WG wider Willen mit übernimmt. Beschwert man sich, heißt es: "Dann such Dir halt was anderes, wenn es Dir hier nicht passt !"
Einfacher gesagt als getan.
Ferner erhält oft nur der Vermieter die Rechnungen zugestellt und teilt den Mietern, ohne die Rechnungen vorzuzeigen, die zu zahlenden Summen mit. Von daher sollte vorher abgeklärt werden, wer was zahlt und wer die Rechnungen den Mietern vorzeigt oder nur anonym das Geld einstreicht.


Mieten in Tel Aviv, aber auch in Jerusalem sind drastisch angestiegen. Für ein kleines Loch zahlt man eine riesen Summe und bei der Wohnungssuche kloppen sich alle um einen freien Platz. Deswegen sollte man beim Suchen Geduld aufweisen und wer dringend sucht, der ist oftmals gezwungen, irgendetwas zu nehmen, nur um danach weiterzusuchen.
Obwohl die Zimmerpreise auch in Jerusalem bei 2000 Schekel pro Monat und die Wohnungspreise bei mindestens 700 - 800 Dollar liegen, bildet Tel Aviv den Höhepunkt. Junge Leute, besonders Studenten, können sich das Leben dort nicht mehr leisten. Wer will schon sein ganzes Geld in die Miete stecken und bis zum Monatsende von Wasser und Brot leben ? Vor allem dann, wenn man weiß, dass es andernsorts günstigere Bleiben gibt. Klar, wer in Tel Aviv lebt, der ist selten gelenagweilt. Und wenn, dann nur der, der kein Geld hat. Allerdings bietet die Stadt den Vorteil, dass, wer um 2.00 Uhr nachts spazieren geht, garantiert auf ein Event stossen wird. Die Innenstadt und der Strand bieten dafür die allerbesten Gelegenheiten. Der Rothschild Boulevard reicht diesbezüglich schon aus, denn dort ist immer etwas geboten.


Wie schon mehrere Male berichtet: Tel Aviv macht auf westlich und hierbei insbesondere auf New York. Bürgermeister Ron Chulda'i will Geld und Investitionen sehen. Überall werden Tower (Hochhäuser) gebaut. Luxusapartments für die Wohlhabenden, doch was ist mit Otto Normalverbraucher ? Studenten ziehen in keine Betonklötze, wo die reichen mit ihrem Pudel schwadronieren gehen oder "Sheri Ariston (die Besitzerin der israelischen Bank HaPoalim) ihre Altersruhe haben will.



Links: Skyline Tel Aviv


Aber nicht nur die einfache Bevölkerung fühlt sich übergangen: Die Mittelschicht zieht es ebenso weg aus der Metropole. Hinaus aufs Land oder in Kleinstädte, lautet der neueste Trend. Herzliya oder sogar Pardes Chana scheinen voll IN zu sein.


Was soll man Tausende von Schekeln für eine Bruchbude in Tel Aviv ausgeben, wenn man in den Kleinstädten für das gleiche Geld ein ganzes Haus mieten kann ? Und sollen die Kinder tatsächlich in Tel Aviv aufwachsen ? Mit viel Dreck und einem versifften Strand ?


Draußen auf dem Land, und sogar in Herzliya oder Netanya, da gibt es noch Lebensqualität, ohne der Jagd nach dem Geld und dem Rausch des Dabeiseinmüssens. Diesen neuen Trend hat die Stadtverwaltung von Tel Aviv noch gar nicht richtig wahrgenommen und kann, wenn der Luxusboom so weitergeht, nur verlieren. Dann nämlich gehört die Stadt wirklich irgendwann den Reichen, doch verliert sie dabei ihr Leben.


Herzliya

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